Jahresschlussbrief 2018 und Ausblick auf das Jahr 2019 von Bernd Moser, 1. Vorsitzender
Kitzingen, 7. Dezember 2018
"Mensch sein heißt Verantwortung fühlen: sich schämen beim Anblick einer Not, auch wenn man keine Mitschuld an ihr hat;... seinen Stein beitragen im Bewusstsein, mitzuwirken am Bau der Welt" Antoine de Saint-Exupéry
Liebe Freundinnen und Freunde unserer Partnerstädte, diese Worte von Saint-Exupéry nehmen auf, was sich bei Lukas 10.11 auf die Frage nach der Voraussetzung für ein ewiges Leben in der Antwort des auch selbst fragenden Schriftgelehrten findet: "Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben... und deinen Nächsten, wie dich selbst!" Jesus Christus erwidert darauf: "Du hast recht geantwortet, tue das, so wirst du leben." "Leben", gemeint als "wahres Leben" im Dienst am Nächsten? Oder "Leben" wie es Camus für sich definiert hat: "Apprendre à vivre et à mourir et pour être homme, refuser d'être Dieu" - "Lernen zu leben und zu sterben und, um Mensch sein zu können, nicht Gott sein zu wollen"? Selbst wenn man nicht an den "einen Gott" der drei großen, monotheistischen Weltreligionen glaubt, so gehört doch nicht viel Phantasie dazu sich bewusst zu machen, dass wir in einer Welt leben und Teil der einen Menschheit sind. Der Mensch ist in der Lage, diese unsere Welt durch Waffengewalt oder durch den wahnhaften Glauben an die Möglichkeit eines grenzenlosen Wachstums zu zerstören. Letzterer treibt die Gesellschaften des reichen Nordens der Erdkugel an und findet seine Rechtfertigung in der Illusion, auch dem armen Teil der Weltbevölkerung Wohlstand bringen zu können - und bringt die Welt an den Abgrund. Die Zeit des Advent, alle Jahre wieder die "besinnliche Jahreszeit" genannt, obwohl doch zunehmend stärker vom Konsum geprägt, ist daher wie alljährlich für mich Anlass, mir über das Thema der Nächstenliebe und Gerechtigkeit Gedanken zu machen - in einer immer komplexeren, d.h. vielschichtigeren, "globalisierten" Welt, in der so vieles, wenn nicht gar alles irgendwie zusammenhängt. Die Globalisierung betrifft jeden Einzelnen von uns, sei es an der Tiefkühltruhe bei Aldi, an der Zapfsäule der Tankstelle, in der Begegnung mit unserem Nachbarn, der als Spätaussiedler oder Flüchtling aus Syrien zu uns kam, oder wenn die Niederschläge bei uns ausbleiben. Die Globalisierung ist ganz eng mit der Nächstenliebe, der Gerechtigkeit und der Nachhaltigkeit verbunden. Das eine bedingt das andere. Nachhaltigkeit ist Gerechtigkeit und erfordert einerseits, das Klima und die Umwelt zu schützen und gleichzeitig den Wohlstandsansprüchen der Armen zu genügen, in unserem Land und weltweit. Dieser zweite Teil wurde bereits anlässlich der ersten Konferenz zum Thema des weltweiten Umweltschutzes im Jahr 1972 in Stockholm, von der jungen Indira Gandhi als Vertreterin der damals sogenannten Dritte-Welt-Länder eingefordert. Wie steht es heute, 46 Jahre später mit deren Lösung? Angesichts der Zahlen zur Klimaveränderung, die uns gegenwärtig erreichen, angesichts der Kriege und Migrationsströme als deren Folge, angesichts der "Gelbwesten", der "Pegidisten" und des rasanten Anstiegs der Zahl der politischen und ökonomischen Analphabeten in den Demokratien? Letztere sind getrieben von Lebensumständen, die sie als unerträglich wahrnehmen und folgen den nationalistischen Heilsversprechungen der Trumps, Orbans, Erdogans u.a. und schenken deren "Herr im Haus"-Phantasien in einer globalisierten Welt Glauben - und nehmen unsere liberale Demokratie in die Zange und führen zu ihrer Krise - und die Digitalisierung wirkt dabei als Brandbeschleuniger. Wir müssen also feststellen, dass wir auf dem Weg zur Nachhaltigkeit nicht wirklich weitergekommen sind. Prof. Dr. Dr. Radermacher, Mathematiker und einer der Vertreter des Club of Rome hat es einmal so formuliert: "Nichtwissen macht Dinge erträglich, die wir nicht mehr erträglich finden, wenn wir um deren Ursachen wissen". Ich füge hinzu: und zum einen Angst haben vor einer Welt, die wir nicht verstehen und zum anderen kein Vertrauen mehr haben in den Mut und die Fähigkeit der handelnden Politiker, diese Ursachen zu stoppen, zu verändern und letztlich dem Gebot der Nachhaltigkeit zu genügen! Karl Jaspers hat es auf den Punkt gebracht, als er sagte, dass Demokratie im Volk die Vernunft voraussetze, die sie erst schaffen müsse! Mangelhaftes Wissen und ungenügende politische Bildung der Bürgerinnen und Bürger, gepaart mit wirklicher oder empfundener Benachteiligung als Nährboden für Unzufriedenheit trifft auf handelnde Politiker, die verblendet sind oder nicht den Mut haben, den Menschen "reinen Wein einzuschenken" und sich andererseits bewusst zu machen und danach zu handeln, dass es nicht möglich ist, der ökonomisch und nachrichtlich globalisierten Welt mit allein nationalen Mitteln, nationaler Politik zu begegnen. Der Politologe und Philosoph Prof. Rainer Forst hat es, meine ich, präzise benannt: "...hier kommen wir auf den Kern der strukturellen Krise. Wir leben in einer Zeit von Macht und Herrschaftsverhältnissen, die globaler Natur sind, aber der normative Denkrahmen, innerhalb dessen wir Politik verstehen, ist auf der nationalen Ebene stehen geblieben". Und er fordert: "Progressive Politik muss Wege finden, transnationale demokratische Macht zu generieren (schaffen), und es wäre gut, zumindest in Europa damit anzufangen...!" Die sich dramatisch zuspitzende ökologische Krise, die sich erneut abzeichnende Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen und das Aufkommen von disruptiven (sich rasant entwickelnden) Technologien wie der Digitalisierung und Biotechnologie mit dem Vermögen, das Leben zu verändern und zu manipulieren, erlauben der Welt und damit der verantwortlich handelnden Politik keine weitere Verzögerung mehr. Nachhaltigkeit mit ihren Bestandteilen Klima- und Umweltschutz und weltweite Gerechtigkeit ist nur zu verwirklichen, wenn sie Verbindlichkeit erreicht, Zuständigkeiten regelt und die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellt. Das erfordert die bereits erwähnten transnationalen politischen Strukturen, die daraus entstehenden politischen Gremien und nach dem gegenwärtigen Stand 1.350 Milliarden US-Dollar pro Jahr als Budget. Diese Kosten sind überwiegend durch den reichen Norden der Welt aufzubringen. Wenn die politisch Mächtigen nicht umgehend und den wissenschaftlichen Erkenntnissen folgend, mutig die nötige Richtungsänderung einleiten, werden sie von der Generation unserer Enkel verflucht werden. Auch gerade für die politisch, aber auch ökonomisch Verantwortlichen des reichen Nordens gibt es keine Alternative, denn es ist für sie nicht etwa Generosität oder Altruismus, sondern Ausdruck von "einsichtsvollem Egoismus" wie es ein renommiertes Mitglied des Club of Rome genannt hat. Der Faktor "Weltbevölkerung" Stand 2018 ist dabei berücksichtigt. Sollte sich sein rasanter Anstieg - 1960: 3,1 auf 7,6 Milliarden in 2018 - jedoch durch Tatenlosigkeit ungebremst fortsetzen, drohen der Welt am Ende dieses Jahrhunderts 21 Milliarden Menschen. Mit der Konsequenz des Ansteigens der Anzahl potentieller Klimaflüchtlinge von gegenwärtig 60 Millionen auf dann 1 Milliarde - und diese würden sich wie auch aktuell nach Norden aufmachen. Wollten wir sie mit Mauern oder Zäunen aufhalten? Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, wie bereits im vergangenen Jahr werden Sie sich fragen, was das alles mit uns, mit unserem Verein und dessen satzungsgemäßen Anliegen zu tun hat. Nun zum einen ergibt es sich aus meinen vorausgehenden Ausführungen zu unserer einen Welt und andererseits aus unseren Bemühungen um ein gutes Miteinander zwischen den Menschen aus verschiedenen Städten und Ländern. Immer im Bewusstsein, dass sie auf der Grundlage verschiedener Geschichte, Traditionen und Kulturen sowie persönlichem Leben wahrnehmen, denken und handeln. Im gegenseitigen Austausch sollten wir für eine nachhaltige Welt werben und die Mächtigen durch unser bürgerschaftliches Engagement vor Ort und bei Wahlen stets an ihre Verpflichtung erinnern "Schaden vom Volk abzuwenden" und sie zu umgehendem Handeln auffordern und die Weichen neu zu stellen - damit wir und spätere Generationen menschenwürdig leben können! Liebe Freundinnen und Freunde unserer Partnerstädte, auch im zu Ende gehenden Jahr 2018 waren wir bestrebt unseren Ansprüchen zu genügen, den Austausch und die Verständigung zwischen den Menschen zu fördern und damit das gegenseitige Verstehen zu erweitern. Am 2. März warb Dr. Markus Grimm vom Institut für Politikwissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen im Rahmen der World Press Photo-Ausstellung um Interesse und Verständnis für Italien - das schwierige Herz des Südens. Die Ausführungen des Referenten und die anschließende Diskussion ermöglichten einen Überblick über die politischen Strukturen des Landes und eröffneten Einblicke in die historisch-kulturellen Wurzeln der italienischen Nation. Es konnte ein Bewusstsein entstehen für das "lebende" Italien - in Ergänzung zum von Touristen "erlebten" Land und ein Begreifen wachsen dafür, warum es in diesem Land so "läuft wie es läuft". In der Zeit vom 8. bis 11. Juni dieses Jahres weilte wieder eine wie stets große Delegation in unserer polnischen Partnerstadt. Sie verbrachte ein weiteres Mal unvergessliche Tage in Trzebnica und Umgebung, gekennzeichnet erneut von der bereits kaum zu überbietenden Gastfreundschaft unserer Freundinnen und Freunde. Das betraf die sportlichen, kulinarischen und kulturellen Angebote und die Begegnungen zwischen den Menschen in gleicher Weise. Auch die Beziehungen zwischen den bereits verbundenen Schulen wurden verstärkt. Der in 2019 anstehende Gegenbesuch wird für uns Gastgeber auf allen Ebenen zu einer Herausforderung. Der Besuch aus unserer französischen Partnerstadt Prades, in der Zeit des Weinfestes vom 21. bis 25. Juni 2018, stellte uns nicht nur aufgrund der ungewöhnlich großen Anzahl von Gästen (56) vor erhebliche organisatorische Anstrengungen, sondern bereicherte Dank der beiden begleitenden französischen Chöre das kulturelle Programmangebot in außergewöhnlicher Weise. Dazu gehörten die musikalische Mitgestaltung eines ökumenischen Gottesdienstes, der Auftritt auf der Weinfestbühne und die spontanen Gesänge am Freundschaftsabend gleichermaßen. Auf Einladung der Landtagspräsidentin Frau Stamm nahmen Herr Paulus und der 1. Vorsitzende an der Verleihung des Bürgerpreises 2018, des Bayerischen Landtages teil. Wenngleich unsere Teilnahme an dem Wettbewerb nicht mit einem Preis berücksichtigt wurde, fand unsere Bewerbung auf diesem Wege ihre verdiente Würdigung. Bei dieser Gelegenheit konnten wir auch ohne Selbstgefälligkeit feststellen, dass die Aktivitäten unseres Vereins sich nicht verstecken müssen. Am 15. August des Jahres, in der Zeit von 17:00 bis 21:30 Uhr, übernahm eine Gruppe des Vereins den Ausschank beim 2. StadtSchoppen auf der Alten Mainbrücke. Neben den fränkischen Weinen kamen auch Weine aus den Regionen aller Partnerstädte zum Ausschank und warben für unseren Verein. Das Rendezvous der Sinne fiel diesmal leider aus Mangel an Interesse aus, wohl u. a. auch weil die aus organisatorischen Gründen erfolgte Vorverlegung des Termins nicht den ursprünglichen Planungen des einen oder der anderen Interessenten/Interessentin entsprach. Nachdem seit dem politischen Wechsel an der Spitze unserer Partnerstadt Montevarchi, im Frühsommer 2016, der Austausch mit unseren toskanischen Freundinnen und Freunden zum Erliegen kam und wir uns zusammen mit der Stadt zwischenzeitlich immer wieder und auf verschiedenen Ebenen um eine Wiederbelebung bemühten, war ich als Repräsentant der Stadt und des Vereins am 5./ 6. November 2018 zu Gesprächen in der Toskana. Das sich abzeichnende Ergebnis des Wollens von Seiten der Stadt Montevarchi als auch von Seiten eines Teils der Bürgerschaft finden sie weiter unten, in den Ausführungen zum Programm 2019.
Liebe Freundinnen und Freunde, wie alljährlich und in guter Tradition möchte ich Ihnen an dieser Stelle für Ihre Treue zu unseren Ansprüchen und Werten danken! In gleicher Weise gilt mein ausdrücklicher Dank all den Gastfamilien, die Sie in 2018 erneut großzügige und engagierte Unterstützer und Gastgeber unserer Gäste waren. Sie haben durch Ihr unbeirrbares Wirken unsere Partnerschaften weiterentwickelt und damit einen wertvollen Beitrag zum Werden des europäischen Hauses erbracht. Mein besonderer Dank geht an die Dame und die Herren aus dem städtischen Hauptamt, Frau Schlier, Herrn Müller, Herrn Lenhart und Herrn Hartner. Sie haben in stets freimütiger, natürlicher und einnehmender Weise Ihren unverzichtbaren Anteil zum Erfolg unserer Unternehmungen beigetragen. "Last but not least" danke ich meinen Kolleginnen und Kollegen im Vorstand, den Damen Nicoly, Baumgartner-Sauer und Winkler sowie den Herren Lux, Voit und dem "elder Vorstandsmitglied" Paulus mit GattInnen/Partnerin und Familien für ihre gewohnt engagierte, sorgfältige und stetige Arbeit und Unterstützung. Liebe Freundinnen und Freunde, freuen wir uns nun gemeinsam auf die zu erwartenden Aktivitäten in 2019, die möglicherweise auch die eine oder andere Überraschung bereit halten:
1. 4. Februar 2019, 19:00 Uhr Jahreshauptversammlung im Rathauskeller Gesonderte Einladung folgt!
2. März 2019 - Veranstaltung im Rahmen der World Press Photo-Ausstellung in der Rathaushalle zum Thema: Europa - Herausforderung und Lösung Gesonderte Einladung folgt! - Möglicher Besuch in Montevarchi auf Einladung von Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Gesonderte Information folgt! 3. 31. Mai - 2. Juni 2019 Möglicher Besuch einer Delegation aus Montevarchi Einladung von Seiten der Stadt Kitzingen ist erfolgt. Zusage von Seiten der Stadt Montevarchi als "Ziel" liegt vor. 4. Juni 2019, Woche nach Pfingsten Reise zu unseren Freundinnen und Freunden nach Prades. Flug nach Marseille und Abstecher in die Provence zur Lavendelblüte, nach Arles, Les Baux und den "Carrières de lumière". Gesonderte Einladung folgt! 5. 28. Juni - 2. Juli 2019 Besuch unserer Freundinnen und Freunde aus Trzebnica zum 10-jährigen Jubiläum der Partnerschaft Gesonderte Information folgt! 6. September 2019 Besuch unserer Freundinnen und Freunde in Montevarchi. Als "Ziel" von Seiten der Stadt Montevarchi zugesagt. Gesonderte Einladung folgt! 7. 27. September 2019, 19:00 Uhr Rendezvous der Sinne mit neuem Konzept in der Rathaushalle, Thema: Franken Gesonderte Einladung folgt!
Liebe Freundinnen und Freunde unserer Partnerstädte, wir freuen uns darauf, dass Sie uns auch in 2019 wieder mit großem Interesse, Engagement und großzügiger Unterstützung begleiten werden. Dafür Ihnen an dieser Stelle schon herzlichen Dank. Wie stets wiederhole ich meinen Dank auch ganz ausdrücklich dafür, dass Sie unserem gemeinsamen Anliegen als engagierte Bürgerinnen und Bürger weiter die Treue gehalten haben. Im Namen meiner Mitstreiterinnen und Mitstreiter im Vorstand und ganz persönlich wünsche ich Ihnen und Ihren Lieben noch Freude an Momenten des Innehaltens im Advent, ein frohes Weihnachtsfest im Kreise Ihnen wichtiger lieber Menschen und ein Neues Jahr 2019, das Ihnen möglichst gute Gesundheit und viel Zufriedenheit schenken möge - und unserer bedrohten Welt viele engagierte Bürgerinnen und Bürger, die ihre Hoffnung auf friedlichere und menschlichere Verhältnisse im Einklang mit allen Lebewesen durch ihr eigenes, einfühlsames aber auch beharrliches Tun Nachdruck verleihen und damit den Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft die nötige Unterstützung dafür zu geben, die unabdingbaren Voraussetzungen für Freiheit und Nachhaltigkeit in der Welt zügig zu schaffen - und den Geboten der Würde des Menschen und der Bewahrung der Schöpfung zu genügen! Vive l'amitié franco-allemande! Viva l'amicizia fra Italia e Germania! Niech zyje przyjazn! Es lebe und wachse die Freundschaft zwischen den Bürgerinnen und Bürgern unserer Städte und Länder!
Ihr Bernd Moser 1. Vorsitzender
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