Freundeskreis der Partnerstädte – Jahresbericht 2015 Liebe Mitglieder, schon wieder ist ein Jahr vergangenen! Es war im Vergleich zu unserem Jubiläumsjahr ein sehr ruhiges Jahr. Am Anfang dachten wir, daß wir turnusgemäß eine Bürgerfahrt nach Montevarchi im September anbieten könnten. Dies war auch mit der Verantwortlichen, Lia Vasarri, bei ihrem letzten Besuch in Kitzingen so abgesprochen. Im letzten Winter erreichte uns dann aber eine Einladung zu einem „Kick für den Frieden“ an Pfingsten. Die Freunde wollten daran erinnern, wie übrigens viele Veranstalter in ganz Italien, daß Italien vor genau 100 Jahren, am 24. Mai 1915, in den 1. Weltkrieg eingetreten war. Kein freudiger Anlaß für eine Begegnung; aber wohl ein Grund für eine Friedensveranstaltung mit den Partnerstädten Roanne und Kitzingen, die ja schließlich in Ländern liegen, die damals auch an den Kampfhandlungen beteiligt waren. Der „24. Mai “ ist in Italien ein Gedenktag. Am 24. Mai 1915 trat Italien in den Ersten Weltkrieg ein und kämpfte an der Seite der Alliierten gegen Deutschland und Österreich. Dieser Gedenktag ist in Italien keineswegs ein Tag des Triumpfes, der Freude oder des Feierns, sondern vielmehr ein Tag der Trauer, ein Tag des Gedenkens an die vielen Toten und an das Leid, das der Erste Weltkrieg über die Menschen in Europa gebracht hat. Damit all dies nicht vergessen wird, und als ein Mahnmal für den Frieden, wurde in Montevarchi auch eine Straße nach diesen Datum benannt, „Via XXIV Maggio“, „Straße des 24. Mai“. Im Gedenken an die vielen Kriegstoten, egal ob an die gefallenen Soldaten oder die ums Leben gekommenen Zivilisten, und unabhängig davon, welcher Nation sie angehörten, wurde am Abend ein Kranz am Kriegerdenkmal unter den Arkaden des Rathauses von Montevarchi niedergelegt. Im Beisein der Bürgermeister von Montevarchi, Roanne und Kitzingen erklangen die Nationalhymnen aus Italien, Frankreich und Deutschland. Unisono war man sich einig darüber, dass ein Krieg der Europäischen Völker unter- und gegeneinander nie wieder sein dürfe, bzw. Krieg generell mit allen Mitteln verhindert werden muss. Mit dem Fußballspiel hatte man zeigen wollen, dass verschiedene Nationen sehr wohl unterschiedlich sein können, doch gegeneinander und miteinander friedlich auf sportlicher Ebene kämpfen und in Frieden und in Freundschaft wieder auseinander gehen können.
In Montevarchi wurden neben der Straße „24. Mai“, zwei weitere Straßen nach Kriegsereignissen benannt.
Straße des „20. September 1870“. An diesem Tag wurde Rom von den Freiheitskämpfern eingenommen, die für ein geeintes Italien kämpften. Das Land war bis dahin in viele kleine Einzelstaaten zersplittert und war im Laufe seiner Geschichte von zahllosen ausländischen Mächten regiert worden. Dieses Datum gilt als der Geburtstag eines geeinten Italiens und damit als der Tag an dem der italienische Staat gegründet wurde.
Straße des „ 4. November 1918“. Dieser Tag wird heute als der „Tag der nationalen Einheit und der bewaffneten Streitkräfte“ begangen. Zurück zu unserer Fahrt: Eingeladen war eine Delegation von ungefähr 25 Leuten, darunter Fußballer, einige Offizielle, und, da auf eine Einladung an die Kitzinger Gärtner und Landwirte, im November 2014 Montevarchi zu besuchen, leider mangels Teilnahme kein Besuch erfolgte, auch einige Vertreter dieses Fachbereichs. Unser Bürgermeister Stefan Güntner, selbst Fußballer bei den „Bayern“, erklärte sich bereit, einige Fußballmannschaften zusammenzustellen, darunter eine Damenmannschaft, die Kitzingen, sprich Deutschland, bei dem Friedensturnier in der Partnerstadt vertreten sollte. Es war nach dem Modell des Hallenfußballs geplant, dass kleine Mannschaften zu jeweils 5 Spielern gegeneinander antreten sollten. Am Anfang erklärten sich auch ungefähr 20 Spieler bereit, mitzufahren. Als wir dann tatsächlich losfuhren, war die Anzahl der Fußballer auf ganze 5 geschrumpft, darunter der Bürgermeister. Die Damenmannschaft fiel ganz aus. Der Zufall wollte es so, daß dank dessen, daß jede Mannschaft aus nur 5 Personen bestehen sollte, eine spielfähige Mannschaft in Montevarchi ankam und Kitzingen würdig vertrat. 4 Gärtner waren der Gruppe angeschlossen, die parallel zum Sport einige Betriebsbesichtigungen angeboten bekamen und davon sehr begeistert waren.
Was haben wir sonst noch erlebt? Die Gäste aus Kitzingen wurden teilweise im Hotel „Valdarno“, dem „Ersten Hotel am Platze“, bei „Neue Horizonte“ und teilweise privat, in Familien, untergebracht.
Nachdem vor einigen Jahren das Priesterseminar am Kapuzinerhügel geschlossen worden war, eröffnete dort die caritative Einrichtung „Neue Horizonte“ ihre Pforten. Ex-Drogenabhängige, die den Entzug erfolgreich hinter sich gebracht haben, machen dort ein Wiedereingliederungs-Programm mit. Eine ihrer Arbeiten ist es, Gäste zu bewirten. Die Verwaltung von Montevarchi hatte dort nach dem Abendessen eine erste Überraschung für die Gäste parat. Für den „Kick für den Frieden“ waren extra T- Shirts bedruckt worden. Die Spieler sollten nicht mit ihren Landesfarben antreten, sondern jede Fußballmannschaft bekam Shirts in einer anderen Farbe. Die Gäste aus Deutschland spielten in „Gelb“, die Franzosen in Weiß, die Italiener in Blau und der Rest der Welt, eine bunte Mischung aus Menschen mit Migrationshintergrund, die in Montevarchi leben, z.B. aus Albanien, Rumänien und Marokko, in Grün. D in gelb - It in blau - Fr in weiß - Rest in grün
Am Samstagvormittag traf man sich zu einem Umzug „Per la Pace“, „für den Frieden“ durch das historische Zentrum von Montevarchi, der von den Fahnenschwingern Sestieri Fiorentini aus Figline Valdorno eröffnet und begleitet wurde. Ansprachen des Bürgermeisters von Montevarchi, Francesco Maria Grasso und des Referenten für Internationale Zusammenarbeit, Giovanni Rossi, der vielen Kitzingern wohl sehr bekannt sein dürfte, folgten. Es sang der Chor der Parkinsongesellschaft und die Kinder von Montevarchi ließen zahllose weiße Luftballons in den toskanischen Himmel steigen, der leider nicht wie sonst gewohnt blau, sondern ziemlich regnerisch grau war.
Bei einem opulenten Mittagsmal mit Spezialitäten aus der Toskana stärkte man sich für den großen „Kick“ auf der Piazza Varchi, dem Platz vor dem Rathaus der Stadt Montevarchi.
„Un calcio per la pace“, „Una patada por la paz“, „Un coup franc pour la paix“, „A kick for peace“, „Ein Kick für den Frieden“, war das Motto des Treffens und so spielten Fußballmannschaften aus Montevarchi, aus Roanne, der französischen Partnerstadt Montevarchis, aus Kitzingen und dem „Rest der Welt“ gegeneinander.
Kitzingen belegte „nur“ den zweiten Platz - Frankreich gewann das Turnier. Sinn und Ziel des Wettkampfs war letztlich doch einzig und alleine die Fairness und der gute sportliche Umgang miteinander. Das Spiel sollte ein Symbol dafür sein, daß trotz aller Gegensätze und vielleicht auch unterschiedlicher Zielsetzungen alle am gemeinsamen Werk für den Frieden ihre Kräfte einsetzen.
Zum Abschluss des Tages traf man sich im Gemeindesaal neben der Kirche „Santa Maria al Giglio“. Der Verein der Köche des oberen Arnotales mit unserem lieben, langjährigen Freund Gino Mascagni an der Spitze verwöhnte alle Gäste aus Deutschland und Frankreich und die Gastfamilien mit einem umfangreichen Menü. An diesem Abend wurde ein Teil der Gäste aus Roanne, darunter der Bürgermeister, verabschiedet. Die verbleibenden französischen Gäste schlossen sich uns am Sonntag an. Da es inzwischen wegen des vielen Regens und der dadurch im Matsch versunkenen Wege teilweise nicht mehr möglich war, alle unsere Ausflugsziele mit dem Bus zu erreichen, verteilten sich italienische, deutsche und französische Freunde auf eine Reihen von Kleinwagen und zogen so im Konvoi durch die Toskana.
Erster Anlaufpunkt war die romanische Pfarrei in Groppina mit ihrem Weingut. Von hier bot sich ein herrlicher Blick auf das Arnotal und das dahinterliegende Chiantigebirge. Die Basilika „San Pietro“ von 1060 n.Chr. mit ihren Ausgrabungen unter dem Kirchenraum zählt zu den schönsten und hochwertigsten Beispielen der romanischen Architektur in der Toskana. Nach einem Besuch der Weinkeller wurden die Gäste „in aller Frühe“ mit Wein, Wurst, Brot und Käse im Überfluss bewirtet.
Hatte man eigentlich in Groppina schon genug getrunken und gegessen, stand als nächstes der Besuch einer Weinkellerei bei San Giovanni auf dem Programm. Auch hier wurde wieder alles für die Gäste aufgeboten, was Küche und Keller der Toskana zu bieten haben. Ziel der Mittagsrast war das Moto–Cross-Centrum „Miravalle“ am Rande des Chiantigebirges, das auch schon Austragungsort von Weltmeisterschaften war.
Der anschließend geplante Besuch des Turmes von Galatrone, der historisch bedeutsam an der Grenze zwischen den ehemaligen mittelalterlichen Stadtstaaten im Chiantigebirge steht, entfiel wegen der in der vorhergehenden Nacht niedergegangenen starken Regenfälle. Man sagte uns, alle Wege seien matschig und unpassierbar – und das in Italien im Mai!! Anstelle dessen stand ein Besuch des neueröffneten Paleonthologischen Museums auf dem Programm. Dort sind, seit wir Montevarchi kennen, unsere Freunde vom Centro San Lodovico ehrenamtlich aktiv. Dieser spontan eingeschobene Programmpunkt war auf alle Fälle ein sehr guter Ersatz für den „Turm“. Eigens für die Gäste aus Kitzingen begrüßte Herr Prof. Giuseppe Tartaro im völlig neu gestalteten Museum. Bei aller Wiedersehensfreude wurde bei dieser Gelegenheit die traurige Nachricht bekannt, daß 4 Wochen vorher ein lieber Freund Kitzingens, Orlando Gori, plötzlich verstorben war. Giuseppe und Orlando waren viele Jahre lang zusammen als Vertreter des Centro San Lodovico für die Städtepartnerschaft zwischen Kitzingen und Montevarchi zuständig und leiteten auch das Museum ehrenamtlich.
Am Abend stand eine Führung durch den Konditoreibetrieb der Firma „Bonci“ auf dem Programm. Eine pasticceria cioccolateria, die Kuchen, Pralinien, Schokoladen etc, also Köstlichkeiten vom Feinsten handwerklich herstellt und in die ganze Welt versendet. Davon konnten sich die Gäste aus Frankreich und Deutschland hinreichend überzeugen, und mit Schöpflöffeln die köstlichen Schokoladen aus den „Conchiermaschinen“ oder kurz „Conches“ genannt, egal ob helle oder dunkle Schokolade, trinken oder die fertigen Produkte verkosten.
Und anschließend ging es - wie konnte es anders sein - zu einem üppigen Abendessen auf dem Gelände der Firma „Bonci“, die dieses Essen der Städtepartnerschaft stiftete. Nach reichlich Wurst und Käse, Salaten, Wein und Brot und einem hervorragenden Wildschweingulasch, wiederum vorbereitet von Mitgliedern der Vereinigung der Köche des Valdarno gab es - was lag näher – zum Nachtisch die erlesensten Produkte der Firma „Bonci“ als „Dolce“.
Ich erinnere mich spontan daran, wie wir einmal bei einem Spaziergang über einen Friedhof, dabei zusahen, wie bei einer Besetzung ein Sarg eingemauert wurde, und entsetzt waren, daß die Verwandtschaft des Verstorbenen rauchend und sich angeregt unterhaltend dabeistand. Ich erzählte dies unserer ital. Gastgeberin. Sie antwortete mit einem fröhlichen Lachen und erklärte uns, daß für die Lebendigen eben das Leben sofort weiterginge. Daran mußte ich denken, als ich diesen Bericht schrieb, in dem ich von den Feierlichkeiten erzählte, die an Tod, Trauer und Verzweiflung erinnerten; und doch auch wieder, wie immer bei unseren Besuchen in Montevarchi, von vielen wunderbaren Genüssen, schönen Erlebnissen mit den Freunden und daraus resultierender Lebensfreude und dem Willen, gemeinsam das Gute und den Frieden in die Zukunft zu tragen.
Wie es in Montevarchi weitergeht, müssen wir nun für ein paar Monate abwarten, denn in den nächsten Monaten finden dort Wahlen statt. Da braucht es erfahrungsgemäß immer einige Zeit, bis die Freunde wieder beschlußfähig sind, sei es nun, ob man die World Press Photo Ausstellung einmal bei sich haben möchte oder auch, wann man organisatorisch so weit sein wird, mit dem neuen, vielleicht auch alten Bürgermeister eine Fahrt nach Kitzingen zu unternehmen. Wir hoffen, bald zu erfahren, daß dies in der 2. Hälfte des Jahres 2016, vorzugsweise im Juli oder September, möglich sein wird. Die Antwort aus Montevarchi müssen wir abwarten.
Vielen Dank! Karin Winkler
Die Ursprünge des Museums gehen bis zum Beginn des 18, Jahrhunderts zurück. Die ältesten Fossilien der dortigen Sammlung stammen aus dem „Valdarno-Becken“, aus einer Tier- und Pflanzenwelt wie sie dort vor mehr als 3 Millionen Jahren vorherrschte. Eine wertvolle Ergänzung zum Museum stellt die „Accademia Valdarnese del Poggio“ mit der „Bibliothek Poggiana“ dar mit ihren rund 10.000 Büchern, die teilweise noch aus dem Mittelalter stammen. Unter ihnen befindet sich auch ein Originalband des „Decamerone“ von Giovanni Boccaccio. Ergänzt wird die historische Abteilung der Akademie durch eine Audiothek mit ca. 15.000, teils sehr wertvollen, historischen Original-Schallplattenaufnahmen, die des Öfteren auch Gegenstand von Diskussionen und Auseinandersetzungen von Experten sind.
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